Ankara (dpa) - Mehr als ein Jahr nach seiner Inhaftierung hat in Ankara der Prozess gegen den Chef der pro-kurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, wegen Terrorvorwürfen begonnen. Demirtas weigerte sich am Donnerstag, sich von der Untersuchungshaft im westtürkischen Edirne per Video zu der Verhandlung zuschalten zu lassen, wie HDP-Sprecher Ayhan Bilgen der Deutschen Presse-Agentur sagte. Der Kurdenpolitiker habe stattdessen erfolglos beantragt, persönlich vor Gericht erscheinen zu dürfen. Der Staatsanwalt habe zum Prozessauftakt eine Fortsetzung der Untersuchungshaft verlangt. Die Anklage fordert nach HDP-Angaben 142 Jahre Haft für Demirtas. Der HPD-Abgeordnete Ziya Pir sagte der dpa, Busse mit Unterstützern von Demirtas aus vielen Teilen des Landes seien auf dem Weg nach Ankara gestoppt worden. Die Polizei habe die Menschen stundenlang warten lassen und dann zurückgeschickt. Vor dem Prozess untersagte das Gouverneursamt Solidaritätskundgebungen und Demonstrationen «im öffentlichen Raum in ganz Ankara». Die Behörde begründete das bis Freitag geltende Verbot damit, dass Versammlungen zum Ziel von Terrororganisationen werden könnten. In der mehr als 600-seitigen Anklageschrift werden Demirtas (44) unter anderem Gründung und Führung einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Die HDP - die zweitgrößte Oppositionspartei in der Türkei - kritisiert, die meisten Vorwürfe der Anklage bezögen sich auf Kritik an der Regierung, die Demirtas bei politischen Ansprachen geäußert habe. Demirtas war bis zu seiner Inhaftierung der schärfste politische Kontrahent von Staatschef Recep Tayyip Erdogan und leistete erbitterten Widerstand gegen dessen Präsidialsystem. Im vergangenen April setzte Erdogan das Präsidialsystem per Verfassungsreferendum durch. Erdogan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein.