Baden-Württemberg: Muslime sollen im Islamunterricht mitreden
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Es ist eher die Ausnahme, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Sitzung der CDU-Landtagsfraktion besucht. Am 10. Juli war so eine Ausnahme. Es war der Tag, als sich die Koalition auf Details zu Fahrverboten in Stuttgart verständigte.
Kretschmann aber hatte ein Thema im Gepäck, bei dem sich die Partner im Ziel einig sind, das in der Umsetzung aber schwierig ist: Wer soll künftig den islamischen Religionsunterricht im Land organisieren?
Es ist eine Frage, die grundsätzlich das Verhältnis von Staat und Religion berührt - und ganz konkret den Umgang der Landesregierung mit Muslimen und ihren führenden Verbänden.
Seit dem Schuljahr 2006/07 wird im Land islamischer Religionsunterricht sunnitischer Prägung in deutscher Sprache angeboten - als Modellversuch. Denn nach Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz muss ein regulärer Religionsunterricht "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften" erteilt werden.
Auf muslimischer Seite vermisste die damalige schwarz-gelbe Koalition aber einen einheitlichen Ansprechpartner, der als Träger des islamischen Religionsunterrichts unter staatlicher Aufsicht fungieren könnte. Stattdessen traf die Regierung auf viele Verbände mit widersprüchlichen Ansichten.
Den Modellversuch hat Grün-Rot 2014 um vier Jahre verlängert, kürzlich hat Grün-Schwarz ein weiteres Jahr drangehängt. Aber die islamischen Verbände machen Druck, sie wollen einen regulären islamischen Religionsunterricht.
Kretschmann schlägt daher ein Stiftungsmodell vor. Danach würde das Land einen sunnitischen Schulrat als Stiftung des öffentlichen Rechts einrichten, mit Geschäftsstelle, Vorstand und Schiedsstelle. Der Schulrat könnte auf Basis eines Grundlagenvertrags arbeiten, den das Land mit den Verbänden abschließen müsste. Verbandsvertreter würden im Vorstand sitzen - auch andere Islamexperten.
Was Kretschmann vorschlägt, ist ohne Beispiel. Die meisten Länder behelfen sich bisher ebenfalls mit Modellversuchen. Die Pläne sind eine Gratwanderung. In der CDU gibt es Stimmen, die einen zu starken Einfluss der Verbände befürchten. Ein Teil der Verbände dagegen erwartet, dass sie wie die großen christlichen Kirchen behandelt und selbst Träger des Religionsunterricht werden.
"Wir brauchen eine Alternative zum auslaufenden Modellprojekt, die verfassungsrechtlich wasserdicht ist", sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Auch Kretschmann hofft auf einen Erfolg. "Der islamische Religionsunterricht ist in Baden-Württemberg eine Erfolgsgeschichte", sagt sein Sprecher.
"Wir setzen uns dafür ein, dass sich aus dem Modellprojekt ein islamischer Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht entwickeln kann", sagte Grünen-Fraktionsvize Sandra Boser. Das Ziel teilt auch die CDU-Abgeordnete Marion Gentges. Sie gibt aber zu bedenken, dass beim Stiftungsmodell nicht geklärt ist, wie das Grundgesetz weiterhin genügend Beachtung findet.