Rhein-Neckar Löwen: Der Blick geht nach oben
Von Tillmann Bauer
Kronau. Dass beim Trainingsauftakt der Rhein-Neckar Löwen manch einer ins Schwitzen kommt, steht außer Frage. Zu hoch sind die Temperaturen Mitte Juli, zu anstrengend die Laufeinheiten in der drückenden Sonne. So auch am gestrigen Dienstag auf dem Trainingsgelände des Handball-Pokalsiegers. Schweißtreibend startete das neuformierte Löwen-Rudel in die Vorbereitung auf die kommende Saison.
Es blieb also nicht aus, dass auch Cheftrainer Nikolaj Jacobsen eine Schweißperle über die Stirn huschte. Falls die Konkurrenz dabei auf Angstschweiß aus Mannheim hofft, muss sie enttäuscht werden. "Wir wissen, was wir können. Wenn wir alle Neuzugänge schnell integriert bekommen", holte Jacobsen tief Luft, "dann können wir auch in dieser Saison um Titel mitspielen." Denn gerade diese Saison ist Jacobsens letzte als Löwen-Cheftrainer.
Nun steht ihm noch einmal ein echter Umbruch bevor. Er weiß, wie wichtig es ist, dass seine Mannschaft eingespielt ist, die Mechanismen automatisch greifen. Er blickte also kurz auf die Seite: Neben ihm auf dem Podium saßen die prominenten Verstärkungen seines Kaders. Ein Name klangvoller als der andere.
Gerade die Abwehr könnte in Zukunft noch einmal stabiler werden. Mit Ilija Abutovic von Vardar Skopje kommt ein Champions-League-Sieger, ein 2,02-Hüne, ein echter Koloss. Selbst der frühere Defensiv-Riese und aktuelle Sportliche Leiter Oliver Roggisch adelte ihn bereits als "einen der besten Abwehrspieler der Welt". Dazu gesellt sich Jes-per Nielsen - ebenfalls zwei Meter - von Paris St. Germain, der bereits vor zwei Jahren in Deutschland für die Füchse Berlin gespielt hat.
Nielsen sagte am gestrigen Dienstag: "Die Löwen sind aktuell vielleicht die beste Mannschaft in Deutschland", und fügte hinzu: "Ich habe die Bundesliga vermisst." Wenn man bedenkt, dass zu diesem Duo noch ein gewisser Gedeón Guardiola stößt, darf man sich auf ein echtes Defensiv-Bollwerk freuen. Der Blick - sowohl sportlich als auch körperlich - geht nach oben.
"In der Abwehr haben wir nun mehr Möglichkeiten", schätzte Chef Jacobsen die Lage ein, "wir können mehr wechseln und somit auch frischer in die Spiele gehen." Und auch in der Offensive haben die Gelbhemden einige neue Waffen: Von den beiden deutschen Nationalspielern Steffen Fäth und Jannik Kohlbacher verspricht man sich in Mannheim viel, beide strotzen vor Selbstvertrauen: "Ich bin froh, dass ich nun endlich in meiner Heimat spielen darf, ich habe mit den Löwen viel vor", sagte Kreisläufer Kohlbacher am gestrigen Dienstag.
Fäth wird mit seiner Wurfkraft aus dem Rückraum für Gefahr sorgen - genau wie Vladan Lipovina, der vielleicht unbekannteste Neuling im Kader. Der montenegrinische Linkshänder kam vom TV Hüttenberg und ersetzt im rechten Rückraum Harald Reinkind. Jacobsen: "Er ist ein sehr guter Schütze, dieses Element hat uns vielleicht in den letzten Jahren ein bisschen gefehlt." Insgesamt spricht der Trainer nun sogar vom "breitesten Kader" seit seinem Amtsantritt.
Und dennoch, die Favoritenrolle reicht der Pokalsieger aber entspannt weiter. "Kiel ist für mich ganz klar der große Favorit auf die Meisterschaft", so Jacobsen, "Flensburg muss sich neu einspielen, wir müssen uns neu einspielen." Dahinter sieht Jacobsen bereits Melsungen, Hannover und Berlin.
Auch Roggisch bittet darum, der Mannschaft Zeit zu geben: "Wir haben uns eben auf entscheidenden Positionen verändert, im Innenblock und im Rückraum", so der Sportliche Leiter, "Ziel ist es, am Ende unter den ersten drei Mannschaften in der Meisterschaft zu landen." Jetzt müsse man aber erstmal abwarten, wie sich die Saison entwickelt. "Dann können wir ja neue Ziele definieren", grinste er. Mit Understatement ist man bisher ja immer gut gefahren.
Info: Voraussichtlich werden alle sieben Gruppenspiele der Rhein-Neckar-Löwen in der kommenden Champions League-Saison in der SAP Arena ausgetragen. Den Auftakt bildet das Spiel am 12. September gegen den FC Barcelona.