Kindergarten St. Maria Eberbach: "Eins, eins, zwei – Hilfe eilt herbei"
Von Peter Bayer
Eberbach. "Eins, eins, zwei", kam es lautstark aus den Kehlen der Fünf- und Sechsjährigen, die sich um das Notarztfahrzeug im Kindergarten St. Maria gruppiert hatten. Wesentlich leiser dann schon "Hilfe eilt herbei". Den Merkspruch von Notarzt Patrick Schottmüller kannten die Mädchen und Buben noch nicht, die internationale Notrufnummer war ihnen hingegen bekannt.
Patrick Schottmüller und Daniel Dietz, der Notarzt und der stellvertretende Leiter der Intensivstation am Krankenhaus, schlossen am gestrigen Dienstag ihre Tour durch die Kindergärten vorerst ab. Ziel ihres Besuchs war es, den Kindern die Berührungsangst zu nehmen: vor Ärzten ebenso wie vor dem Krankenhaus. "Ich bin der Patrick und bin der Notarzt" und "Ich bin der Daniel und war früher auch hier im Kindergarten, bei der Käthe", stellten sich beide vor und schon war das Eis gebrochen.
Sollten sie vorher vielleicht Angst vor den beiden unbekannten Männern in den komischen Kitteln oder dem Notarztfahrzeug im Hof des Kindergartens gehabt haben, war diese spätestens jetzt weg und der Neugier gewichen.
Viel zu interessant war ja auch das Auto und das, was Daniel Dietz aus dem Kofferraum holte. Ein kleiner Fernsehapparat, an dem eine Klammer hing. Darauf konnten die Kinder keine Zeichentrickfilme sehen, sondern sehen, wie das Herz schlägt. Natürlich nur, nachdem sie sich das "Krokodil", wie Dietz die Klammer nennt, an den Finger gesteckt haben. Und nachdem das erste Mädchen festgestellt hatte, dass das gar nicht weh tut, wollte jeder mal drankommen.
"Wer von euch war denn schon einmal verletzt?", fragte Schottmüller, und schon gingen fast alle Hände nach oben. Ein Junge hatte sich einmal den Arm ausgekugelt, ein Mädchen ein Loch im Kopf, einer hatte sich die Hand verstaucht, eine andere war die Treppe heruntergefallen, wussten die ersten zu erzählen. Was macht man in so einem Fall? Hilfe holen, na klar.
Wie, das zeigten Schottmüller und Dietz den knapp 110 Mädchen und Buben im Kindergarten St. Maria. Und dabei spielte die "Eins, eins, zwei" wieder eine wichtige Rolle. "Die internationale Notrufnummer weiß mittlerweile jeder Fünfjährige", sagt Daniel Dietz. "Und mit ihr kann man sogar ein Handy entsperren, um Hilfe zu holen", verrät Schottmüller den Kindern und Erzieherinnen.
Bereits den Grundschülern und sogar den Kindergartenkindern frühzeitig die Berührungsängste vor dem Helfen zu nehmen, ist Schottmüller und Dietz eine Herzensangelegenheit. "Sie sind es, die uns später vielleicht einmal das Leben retten", wird der Notarzt nicht müde zu betonen. Anderen zu helfen müsse eine Selbstverständlichkeit sein, schließlich sei der Mensch ein soziales Wesen, so Schottmüller.
"In Sachen Erster Hilfe sind wir im Vergleich zu den skandinavischen Ländern in Deutschland weit hinten dran", beklagt der Notarzt. In Skandinavien sei man viel weiter, dort lernen es seit Jahrzehnten die Kinder schon in den Schulen. "Bei uns steht Erste Hilfe erst seit einem Jahr im Lehrplan - für die Mittelstufe, das ist viel zu spät", findet Schottmüller. Die Kleinsten im Kindergarten - die Krippenkinder durften das Fahrzeug und das Blaulicht bestaunen. Die Drei- bis Sechsjährigen durften nicht nur mit Hilfe des Pulsoxymeters ihren Herzschlag beobachten, ihnen führte Dietz auch den Unterschied zwischen Stadthorn und Landhorn vor. Laut sind zwar beide Varianten des Martinshorns, doch das muss so sein. "Es ist wichtig, dass wir schnell sind, um rechtzeitig helfen zu können", sagt Schottmüller.
Dass schnell Hilfe kommt, dazu können auch die Kindergartenkinder bereits ihren Beitrag leisten, indem sie im Fall der Fälle die "112" anrufen. Dann müssen sie nur noch eine Frage beantworten: Wo ist der Notfall. Und schon kommt der Notarzt mit Sirene und Blaulicht.