Leutershausen: Folk in seiner edelsten Gestalt in der Alten Synagoge
Von Anja Stepic
Hirschberg-Leutershausen. "Sie ist furchtbar aufgeregt, weil sie heute zum ersten Mal hier ist", erklärt Olov Johansson verheißungsvoll und streicht behutsam über den glänzenden Lack seiner Nyckelharpa. Dem Publikum in der Alten Synagoge dürfte es nicht anders gehen, denn vermutlich haben die wenigsten dieses schon seit dem Mittelalter bekannte schwedische Nationalinstrument schon einmal live gesehen und gehört.
Ob es nun an dem Reiz seiner "Schlüsselfiedel" oder an der Tatsache liegt, dass Johansson einer der besten Nyckelharpa-Spieler Schwedens ist, lässt sich nicht genau sagen. Jedenfalls liegen ihm und seinen Ensemble-Partnern Mikael Marin und Roger Tallroth die Zuhörer schon nach wenigen Minuten geradezu zu Füßen. Was das schwedische Folk-Trio "Väsen" dank der Einladung des Vereins "Musik in Hirschberg" in den historischen Mauern der Synagoge anstimmt, ist einfach geradezu überirdisch schön.
Zu sehen, wie Mikael Marin, der schon mit Leonard Bernstein gearbeitet hat, zärtlich mit dem Bogen über seine Viola streicht und ihr diese unvergleichbar samtwarmen Töne entlockt. Oder zu hören, wie Roger Tallroth, einer der einflussreichsten Folkgitarristen der nordischen Musikszene, mit seiner zwölfsaitigen Gitarre den beiden Streichern zugleich Nachdruck und Basis bietet.
In den 30 Jahren, die diese drei Virtuosen mittlerweile zusammenspielen, haben sie eine so feinsinnige Harmonie erlangt, die man wohl nur ganz selten erleben darf. Geprägt ist ihre ganz eigene Musik vor allem von der Nyckelharpa, also schwedischer Folklore im altem Stil. In die mittelalterlich anmutenden Grundweisen mischen sich immer wieder zeitgenössische Einflüsse, die das Ganze zu einem ebenso spirituellen wie extravaganten Klangerlebnis machen. Walzer, Polkas und Märsche sind der Stoff, aus dem ihre Kompositionen sind. Viele davon sind Stücke, die sie für Freunde und Musikerkollegen zu Geburtstagen oder Hochzeiten komponiert haben, so dass es zu den Titeln auch zahlreiche Geschichten zu erzählen gibt. Bisweilen geraten sie dann richtig ins Fabulieren. Da kommen abenteuerliche Geschichten von Johanssons erster Tour durch Kalifornien, als er sich auf dem Weg zu seiner Herberge plötzlich einem Berglöwen gegenübersah. Der sei aber genauso erschrocken, weil er noch nie einen Nyckelharpa-Spieler gesehen hatte.
Oder diese: 30 Jahre lang habe er nach einem Bogen wie diesem gesucht, so erzählt Marin, den er dann zu einem irrsinnigen Preis erstanden hätte. Als Geheimnis dieses Bogens stellte sich schließlich heraus, dass man sich bei langweiligen Auftritten im Material des Bogenkopfes so toll spiegeln kann.
Auch Tallroth hat eine Geschichte vom Brief einer Dreizehnjährigen, der ihn dermaßen berührte, dass er ihr spontan ein Lied schrieb. Was sie nicht erwähnt hatte, war, dass sie zu den weltbesten Karate-Nachwuchs-Kämpferinnen gehörte. "Sie glauben nicht, wie erleichtert ich war, dass ihr mein Lied gefiel", erzählt er und lacht.
Und so brechen diese drei unheimlich sympathischen Schweden ganz schnell mit dem Klischee nordischer Kühle und Unnahbarkeit. Immer wieder fällt ihnen eine amüsante Geschichte ein, die sie unbedingt noch erzählen müssen. Und dann taucht man auch schon wieder ein in diese klangintensive, poetische Welt ihrer Musik. Was die Zuhörer erleben durften, war Folk von seiner feinsten, edelsten Art. Nicht die mitreißenden Tunes und Trinklieder, wie man sie sonst von der grünen Insel kennt mit all ihren Geschichten um Liebe, Land und Auswanderung, sondern rein instrumentale, höfische Folklore, die aber auch ohne Worte so unendlich viel zu erzählen hat.