Städteranking 2019: Heidelberg stürzt ab - oder auch nicht
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Seltsame Welt: Gibt es eine Statistik, die Heidelberg vordere Plätze attestiert, dann jubelt das Rathaus uneingeschränkt. Wenn die Stadt aber mau abschneidet, dann werden schnell Erklärungen dafür gesucht: Wie kann es sein, dass Heidelberg beim Städteranking des Instituts IW Consult fast abstürzt und – bis auf den Zukunftsindex – nur mittlere Plätze belegt? Hanno Kempermann von IW Consult erklärt, dass Heidelberg eben nicht auf breiter Front absteigt. Aber es gibt vor allem bei drei Indikatoren eine deutliche Verschlechterung, und ausgerechnet die werden von seinem Institut am stärksten gewichtet. Die RNZ bat auch die Stadtverwaltung darum, dazu Stellung zu nehmen.
> Wanderung: Der Saldo von Zu- und Fortzügen fällt momentan nicht sehr positiv aus. Das hört sich so an, als würden massenhaft Leute die Stadt verlassen. Tatsächlich spiegeln die Zahlen lediglich wider, dass das Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Patrick Henry Village deutlich schwächer als in den Vorjahren belegt ist. Statistisch sieht das dann so aus, als hätte Heidelberg Einwohner verloren. Es gibt allerdings auch einige Warnzeichen: Der Immobilienmarkt ist (zu) teuer – beim Miet- und Kaufpreis liegt Heidelberg auf den Plätzen sechs und acht: Das macht es für Zuzugswillige immer schwieriger, eine Bleibe zu finden – zumal auch zu wenig gebaut wird. Statt der benötigten 800 neuen Wohnungen waren es 2018 nur rund 500.
> Schulabbrecher: Urplötzlich, so zumindest die Daten des Städterankings, schnellen die Quoten der Schulabgänger ohne Abschluss in die Höhe. Früher brüstete sich Heidelberg, eine der niedrigsten Schulabbrecherquoten zu haben – und auf einmal waren es nicht mehr 1,6 Prozent wie noch 2018 (Platz 2), sondern 8,1 Prozent (Platz 52). Nur: Das lag an einer Datenpanne beim Statistischen Landesamt; mittlerweile wurde sie korrigiert. Die richtige Zahl lautet: 2,9 Prozent – dann wäre es Platz 2. Aber auch hier: Da liegt ein Körnchen Wahrheit in der Verschlechterung, denn die Schulabbrecherquote ist ja angestiegen. Grund ist das neue landesweite Vorgehen, in diese Statistik auch die Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge (mit relativ hohen Abbrecherquoten) einzubeziehen.
> Stagnierende Kita-Quote für Unter-Dreijährige: Hier ist, das gibt auch Rankingleiter Kempermann zu, Heidelberg Opfer seines eigenen Erfolgs geworden: Die Stadt investierte in den letzten 20 Jahren – fast einzigartig in Westdeutschland – in die frühkindliche Betreuung und erreichte hohe Betreuungsquoten (44,5 Prozent, Platz 11). Ein Stadtsprecher kommentiert: „In dieser Kategorie können also vor allem Städte punkten, die früher ein Defizit hatten und dieses nun abgebaut haben.“ Heidelberg habe also „wenig Luft nach oben“.
Überhaupt ließe sich noch tiefer in die Statistik eintauchen: So schneidet Heidelberg bei der Beschäftigungsrate bei Frauen sehr schlecht ab (Platz 70), aber das liegt vor allem an den Studentinnen, die zwar im erwerbsfähigen Alter sind, aber (noch) keinen Job haben. Oder: Mannheim hat pro Kopf ein deutlich höheres Bruttoinlandsprodukt als Heidelberg. Sind Mannheimer nun reicher als Heidelberger? Nein, sie haben nur mehr Industrie und weniger Studenten.
Überhaupt warnt Kempermann vor Panikmache: „Heidelberg steht generell gut da, bei manchen Punkten muss man aber wachsam sein.“ Uneingeschränkt gut schneidet die Stadt bei den Zukunftsperspektiven ab – und das ist für Gabriela Bloem, die Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, die eigentliche Nachricht: „Der neunte Platz ist großartig – wir haben einen starken Kultur- und Kreativbereich.“ Unlängst belegte Heidelberg den dritten Platz unter den kleinen Großstädten in Europa. Bloem: „Das bestätigt, dass wir überdurchschnittlich gute Zukunftsaussichten haben – auch wenn wir oft als historische Stadt gesehen werden.“