Bürgermeisterwahl Ravenstein: "Der Bürgermeister hatte Angst vor kritischen Fragen"
Von Joachim Casel und Andreas Hanel
Ravenstein. Über 500 Besucher füllten bei der Bürgermeisterkandidaten-Vorstellung am Mittwochabend das Merchinger Schloss und demonstrierten damit, dass ihnen die Zukunft Ravensteins wichtig ist. Auf dem Podium saßen drei von insgesamt vier Bewerbern; nur Amtsinhaber Hans-Peter von Thenen fehlte (wieder einmal) bei einer für ganz Ravenstein bedeutenden Veranstaltung, was bei der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe stieß.
Als der souverän durch das Programm führende Bürgermeister-Stellvertreter Peter Maurer zu Beginn eine kurzfristig eingegangene Mail von von Thenen verlas. in dem dieser erklärt, dass er „aus persönlichen Gründen“ heute nicht erscheine, brandeten lang anhaltende Buh-Rufe auf, und das Wort „Feigling“ hallte durch den Saal.
Dies blieben die einzigen Unmutsbekundungen an einem ansonsten sehr harmonischen Abend. Das lag in erster Linie an den Kandidaten Ralf Killian, Ulrike Quoos und Reiner Rosenitsch, die trotz aller Rivalität stets freundlich und fair miteinander umgingen. Auch so kann Wahlkampf gehen!
Zum Ablauf: Die Kandidaten stellten sich zunächst dem Publikum einzeln vor. Danach konnten die Bürger Ravensteins Fragen an alle Bewerber stellen. Nachfolgend die sieben gestellten Fragen:
> Hartmut Laser, Merchingen, wollte wissen, ob die Kandidaten bereit wären, die Fahrer der „Bürgerhilfe“ zu unterstützen, die Gutes tun würden, dabei aber über keinen besonderen Versicherungsschutz verfügen würden.
Reiner Rosenitsch bekundete in diesem Zusammenhang seine Hochachtung vor dem, was im Ehrenamt geleistet wird, und betonte, dass die Stadt hier durchaus die Versicherung übernehmen könnte. Dazu könnte man etwa von anderen Gemeinden, in denen das schon der Fall ist, Informationen einholen. Auch Ulrike Quoos sicherte Unterstützung zu, entweder über die Stadt oder alternativ über die Kirche. Ralf Killian motivierte ebenfalls dazu, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Er würde es dann auch mit Gemeinden, in denen es diese Versicherung gibt, abklären, wie es am besten zu handhaben wäre.
> Claudia Hornung, Ballenberg, hatte gleich zwei Fragen: Zunächst wollte sie wissen, wie die Bewerber die derzeit schlimmen Zustände in Ravenstein lösen würden.
Ralf Killian sagte, dass auf jeden Fall mehr und besser informiert werden sollte. Dies bedeute auch, dass die Bevölkerung frühzeitig eingebunden wird.
Reiner Rosenitsch betonte: „Es muss wieder menschlicher werden. Das muss in der Verwaltung anfangen. Ich weiß nicht, wie viele Leichen da noch im Keller liegen ...“
Ulrike Quoos kritisierte die mangelnde Kommunikation und dass man förmlich die Spannung im Raum spüre, wenn man sich im Ravensteiner Rathaus befinde. Deshalb wolle sie das Menschliche fördern.
Dann wollte Claudia Hornung noch wissen, wo die Kandidaten ihre eigenen Schwächen bezüglich des Bürgermeisteramts sehen:
Ulrike Quoos: „Ich werde schnell ungeduldig.“ Ralf Killian: „Ich habe einfach zu wenig Zeit, aber ich glaube, das ändert sich auch als Bürgermeister nicht“.
> Nikolaus Holz, Ballenberg, fragte nach der Bedeutung des Bürgerbegehrens gegen das Schul- und Kindergartenprojekt.
Ulrike Quoos betonte, dass man dieses Thema ernst nehmen müsse. Außerdem sollte man über eine neue Konzeption des zentralen Kindergartens nachdenken, wobei die Bevölkerung mit einzubeziehen wäre.
Ralf Killian nannte Bürgergespräche und entsprechende Infoveranstaltungen als ganz wichtige Instrumente. Man habe dies beispielsweise bei der Flurbereinigung Oberwittstadt umgesetzt, als man allein sieben Bürgerversammlungen durchgeführt habe, bei denen 900 Anregungen von der Bürgerschaft gekommen seien.
Reiner Rosenitsch sah die Lösung in einer Bürgerabstimmung. Außerdem sei es auch für das Klima schädlich, wenn alle täglich nach Oberwittstadt fahren müssten.
> Bernd Ebert, Erlenbach, fragte nach, wie die Kandidaten Mitbestimmungsrechte von Jugendlichen und Senioren ermöglichen würden.
Reiner Rosenitsch sprach sich dafür aus, auf jeden Fall beide Gruppe aktiv mit einzubeziehen, jeder sei ein kleines Glied in der großen Kette von Ravenstein.
Ulrike Quoos sah die Gremien Jugend- bzw. Seniorenrat als wichtig an. Sie könne sich auch vorstellen, im Rahmen einer „Kommunalwerkstatt“ mit allen Beteiligten an einem Tisch Mitwirkungsrechte zu erreichen. Ralf Killian sah die Installierung eines Jugendgemeinderats in einer Stadt in der Größenordnung Ravensteins als schwierig an, denn auch größere Kommunen hätten mittlerweile ein Problem mit der Besetzung. Killian erachtete spezielle Veranstaltungen für und mit Senioren als besseres Instrument, zumal Senioren viele vernünftige Gedanken hätten.
> Dietmar Reizel, Merchingen, sagte, dass die Aussegnungshalle in Merchingen in einem bedauernswerten Zustand sei und fragte an, ob man hier mit einer Sanierung Abhilfe schaffen könne.
Ralf Killian regte an, hier grundsätzlich zu erarbeiten, was in den einzelnen Friedhöfen gemacht werden muss. Er mahnte nachhaltige Lösungen und keine Schnellschüsse an. Man sollte ein Konzept erstellen für das ganze Friedhofswesen.
Ulrike Quoos schloss sich ihrem Vorredner an.
> Michael Pfauz, Merchingen, fragte, was die Kandidaten unternehmen wollen, um Kleingewerbe nach Ravenstein zu locken und um leer stehende Flächen wieder zu beleben.
Ralf Killian wies auf das Problem hin, dass Kleingewerbe aus Wohngebieten ausgeschlossen seien. Im Ortskern müsse man darauf achten, dass Kleingewerbe dort hineinpassen. Allgemein wolle er das Kleingewerbe unterstützen, zumal „wir vom ihm leben“. Dabei wolle er Fördermittel ausschöpfen. Vorstellbar wären für ihn auch Projekte mit der Gemeinde und den Eigentümern alter Wohngebäude. Allerdings müsse man das Kleingewerbe mit der Nachbarschaft in Einklang bringen.
Ulrike Quoos schloss sich den Worten Kilians an und fügte hinzu, dass ihr als Idee vorschwebe, dass man in Ravenstein ein Einkaufszentrum ansiedeln könne. In dieses könne man dann Kleingewerbe integrieren.
Die Kandidaten
Ralf Killian
> Vita: 53 Jahre alt, katholisch, lebt mit Partnerin in Oberwittstadt, zwei Söhne; Ausbildung zum Bautechniker in der Wasserwirtschaftsverwaltung, danach Behördenprüfungen für den mittleren bautechnischen Verwaltungsdienst und Staatsprüfung für den gehobenen bautechnischen Verwaltungsdienst, seit 1996 beim Landratsamt Main-Tauber-Kreis, kurz danach Sachgebietsleiter im Umweltschutzamt.
> Inhalte: Als einen „echten Ravensteiner“ bezeichnete sich Ralf Killian. 15 Jahre sei er Mitglied im Gemeinderat gewesen, dadurch seien ihm die „guten und weniger guten Seiten Ravensteins bekannt“. Zudem sei er im Gemeindeverwaltungsverband Osterburken. Trotz seiner Mitgliedschaft in er CDU trete er als unabhängiger Kandidat an und wirke parteiübergreifend.
Seine Ausbildung und sein berufliches Wirken würden ihm bei der Ausübung des Bürgermeisteramts hilfreich sein. Schließlich habe er sich ein Netzwerk aufgebaut, das bis zum Regierungspräsidium reiche.
Zu Killians Zielen zählt, Ravenstein mit Kreativität, gesundem Menschenverstand und Fleiß zukunftsweisend auszurichten. Er werde ein offenes Ohr für alle Belange haben und die Bürger früh in Entscheidungsprozesse einbinden.
Ulrike Quoos
> Vita: 45 Jahre alt, ledig, lebt mit Eltern in Osterburken; Diplom als Wirtschaftsingenieurin mit Schwerpunkt „Wirtschaft“, danach im Marketing, Projektmanagement und in der Prozessoptimierung im Automobilzulieferbereich tätig, anschließend Wahlkreisbüroleiterin beim Deutschen Bundestag, seit einigen Jahren in Jugend- und Erwachsenenbildung u. a. als Seminarleiterin tätig.
> Inhalte: „Christliche Werte und ehrenamtliches Engagement“ seien Ulrike Quoos sehr wichtig. Sie selbst sei im Ehrenamt aktiv, etwa als Prädikantin des evangelischen Kirchenbezirks Adelsheim-Boxberg, als langjährige Kirchengemeinderätin oder als jahrelanges Mitglied des Kreisjugendrings Neckar-Odenwald. Für die FDP habe sie sich 2013 als Bundestagskandidatin beworben, zur Bürgermeisterwahl in Ravenstein trete sie jedoch als unabhängige Kandidatin an, zumal ihr überparteiliches Handeln wichtig sei.
Mit ihren Know-how und ihren Fähigkeiten habe sie mehrfach bewiesen, dass sie Organisationen, Vereine und Gemeinden optimieren und erfolgreich neu aufstellen könne.
Bürgerbeteiligung und eine „offene, ehrliche und direkte Kommunikation“ sind ihr besonders wichtig.
Reiner Rosenitsch
> Vita: 55 Jahre alt, gebürtiger Merchinger, lebt im Adelsheimer Stadtteil Leibenstadt, verheiratet, ein Sohn; Ausbildung zum Kunststoff-Formgeber, heute Schichtführer bei der Firma LTI-Metalltechnik (ehemals Stadtmüller) in Osterburken.
> Inhalte: Rosenitsch, der ohne Konzept frei von der Leber weg sprach und dabei viel Sinn für Humor bewies, betonte, dass er kein Akademiker und auch kein Verwalter sei. Er sei vielmehr ein Ravensteiner Bürger, der mit Herz dabei sei und an seiner Heimat hänge. Es sei aber auch nicht notwendig als Rathauschef, ein guter Verwalter zu sein, denn die letzten siebeneinhalb Jahre hätten ja gezeigt, dass die Verwaltung in Ravenstein funktioniert, sonst hätte es in dieser Zeit nicht so gut geklappt. Er sei ein Schaffer, der unbürokratisch dort anpackt, wo er gebraucht werde, versprach er.
Rosenitsch betonte, dass ihm eine gute Zusammenarbeit wichtig sei. Er wolle mit Verwaltung, Gemeinderat und Ortschaftsräten gut zusammenwirken. „Denn sonst geht es nicht!“
Wichtig ist ihm auch ein enger Kontakt zum Bürger: „Ein Bürgerbüro ist wichtig, ein Büro, das mit einem Menschen besetzt ist und telefonisch gut erreichbar ist. Das ist gelebte Bürgernähe, die wir unbedingt brauchen!“
Das sagt die Bevölkerung zum Fernbleiben von Thenens
Viele konkrete Fragen und Vorwürfe blieben am Mittwoch in offizieller Runde bei der Vorstellung der Ravensteiner Bürgermeister-Kandidaten im Merchinger Schloss unausgesprochen, weil der amtierende Bürgermeister Hans-Peter von Thenen nicht gekommen war. Am Rande der Versammlung machten aber zahlreiche Bürger ihrem Unmut über sein Wegbleiben und die Amtsführung von Thenens lautstark Luft. Hier eine kleine Auswahl derer, die bereit waren, ihren Namen und ihre Meinung für eine Veröffentlichung zu nennen:
Heinrich Hofmann, Merchingen: „Damit hätte ich im Vorfeld nicht gerechnet. Dass er heute nicht gekommen ist, das ist total negativ und zeigt deutlich, dass er kein Rückgrat hat!“
Albert Gramlich, Ballenberg: „Es ist offensichtlich. Ich denke, der Bürgermeister ist heute nicht gekommen, weil er Angst hatte vor kritischen Fragen aus den Reihen der Bürger. Und die wären auch definitiv gekommen. Ich denke zudem, dass er spätestens nach seinem Fernbleiben von heute nicht mehr wählbar ist.“
Bernd Ebert, Erlenbach: „Das Nichterscheinen des Bürgermeisters am heutigen Tag ist für mich nicht sonderlich überraschend. Es ist ein weiterer Schritt in dem Prozess, den wir schon zwei Jahre lang mit Verdruss beobachten. Der amtierende Bürgermeister ist nicht verlässlich, er ist schon zu oft aus der Verantwortung geflohen, genauso wie heute wieder!“
Jürgen Ullrich, Merchingen: „Für mich ist es erschreckend, dass Bürgermeister von Thenen heute nicht zur Vorstellung gekommen ist; erschreckend und beschämend für die ganze Stadt Ravenstein. Nach jetzt fast acht Jahren muss er sich dem, was hier passiert ist, auch stellen. Das hat er nicht getan, das spricht für sich.“
Michael Pfauz, Merchingen: „Für mich ist das Fortbleiben des Amtsinhabers schlichtweg respektlos gegenüber den anderen Kandidaten und auch gegenüber der Bevölkerung aus allen Stadtteilen Ravensteins. Aber ich denke, dieser Fauxpas ist zu verschmerzen, da die Mehrheit der Bürger sowieso einen der drei anderen Bewerber im Amt sehen will.“