Waldkindergarten Buchen: "Sie lieben Regen und werden gerne dreckig"
Buchen. (tra) Um die Welt zu entdecken, brauchen Kinder nicht viel. Aus Laub, dem morgendlichen Frost und einem kleinen Lagerfeuer kann ein spannendes Forschungsprojekt werden. Zwei Kinder der neuen Buchener Waldkindergartengruppe „Roth-Füchse“ halten ein gefrorenes Blatt in die Wärme und schauen zu, was da passiert. „Durch die Hitze schmilzt das Eis und wird zu Wasser“, erklärt Erzieherin Sigrid Egenberger den beiden. Direkt daneben bearbeitet ein Junge mit einer kleinen Laubsäge einen Ast, der dann später als Brennholz genutzt werden soll. „Das Holz für unser Feuer sammeln wir mit den Kindern selbst“, erklärt die Waldpädagogin.
Um das Feuer herum stehen kleine Holzhocker mit Sitzkissen, so dass sich jedes Kind am Lagerfeuer wärmen kann. Da die Flammen in einer Feuertonne lodern, besteht für die Kinder keinerlei Verletzungsgefahr. Zudem sind die Erzieherinnen Egenberger und ihre Kollegin Birgit Holzschuh immer in der Nähe.
Obwohl der Novembermorgen frostig und kalt ist, will sich kein einziges Kind am Feuer wärmen: Alle sind in Bewegung, und wer sich bewegt, friert bekanntlich kaum. Einige Kinder zerren einen großen Ast über den Waldboden, manche kämpfen sich durch das Gebüsch, und ein kleines Mädchen ist gerade damit beschäftigt, aus einem gefundenen Fahrradsattel mithilfe eines gegabelten Zweigs, der in der Welt der Fantasie zur Lenkgabel wird, ein „echtes Rad“ zu machen. „Bei uns ist es keine Sekunde langweilig. Die Kinder machen Rollenspiele, klettern, rennen, rutschen und denken sich aus einfachsten Mitteln – Spielzeug haben wir keines – interessante Beschäftigungen aus. Sie sind dann ganz in ihr Tun versunken“, erzählt Egenberger.
Die elf Kinder des Waldkindergartens sind bei jedem Wetter draußen. Ihren „Fuchsbau“ nutzen sie nur, wenn das Regenwetter in Unwetter umschlägt. „Die Kinder tragen Funktionskleidung und warme Unterwäsche, so sind sie gegen Kälte und Nässe geschützt“, erklärt die Erzieherin. Wenn es nicht regnet, werden auch die Handtücher und die Rucksäcke der Kinder im Freien aufgehängt. „Die Kinder lieben den Regen sogar, weil sich dann Matsch bildet“, berichtet die Pädagogin. „Sie werden gerne dreckig“, ergänzt sie augenzwinkernd.
An zwei bis drei Wochentagen gehen die Kinder mit ihren Erzieherinnen im Wald spazieren, an den anderen Tagen verbringen sie ihre Zeit auf dem Platz. Auch das Frühstück und die Morgenrunde finden natürlich im Freien statt.
Spielen, rennen und toben macht bekanntlich müde. „Wer sich ausruhen will, kann sich auf eines der Sitzkissen zurückziehen. Wir haben im ,Fuchsbau’ auch ein Sofa, auf dem sich Kinder hinlegen können, aber bisher hatte noch kein Kind das Bedürfnis“, so Egenberger.
„Die Kinder sind auch ziemlich robust geworden“, ergänzt Birgit Holzschuh. „Sie sind sicher im Wald unterwegs. Man sagt, dass der Wald der beste Ergotherapeut sei. Und das können wir nur bestätigen.“ Auch die Krankheitsquote ist niedrig: „Die Kinder härten nicht nur ab, sondern werden auch weniger Keimen ausgesetzt, da sie sich nicht in geschlossenen Kindergartenräumen aufhalten, in denen sich Keime viel leichter als im Wald verbreiten.“
Wer die Kinder des Waldkindergartens besucht, merkt sofort, dass sie sehr ausgeglichen sind. „Der Wald strahlt Ruhe aus, was sich auf die Kinder und auch auf uns Erzieherinnen überträgt“, meint Birgit Holzschuh. „Es gibt hier im Wald keine Reizüberflutung“, ergänzt Egenberger. Ebenso wie ihre Kollegin Holzschuh empfindet sie den täglichen Aufenthalt im Wald auch persönlich als Wohltat: „Der Lärmpegel ist hier viel geringer als in regulären Kindergartengruppen.“ Im Waldkindergarten gebe es zudem nur ganz selten Zoff. „Wir müssen kaum regeln“, berichtet Egenberger. „Die Kinder sind entspannt.“
Dies wirke sich, so die Waldpädagogin, auch sehr positiv auf die Entwicklung der Schulfähigkeit aus: „Entspannte Kinder lernen besser. Manche Eltern befürchten, dass die Kinder im Waldkindergarten nicht schulreif werden, aber das ist ein Vorurteil. Die Waldkindergartenkinder haben zum Beispiel Klemmbretter, auf denen sie malen und zeichnen. Ganz nebenher werden sie zudem kleine Experten in Sachen Natur und Umweltschutz.“
Die Kindergartengruppe, die zum evangelischen Familienzentrum „Regenbogen“ gehört, wurde im September eröffnet und sei, so Egenberger, gut angelaufen: „Die Kinder haben sich sehr gut entwickelt. Ich bin über das, was hier entsteht, wirklich glücklich.“