Heilbronn: Musikalisches Monument zum Volkstrauertag
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Mit den drei Chören der Kilianskirche – dem Vokalensemble, dem „Vokalensemble plus“ und dem Bach-Chor –, mit dem verstärkten Württembergischen Kammerorchester (WKO) Heilbronn und den Gesangssolisten Marie-Pierre Roy (Sopran), Anna Haase von Brincken (Mezzosopran), Joshua Whitener (Tenor) und Andreas Hörl (Bass) erklang Verdis epochales „Requiem“ zum Volkstrauertag in der Kilianskirche.
Man muss diese Aufführung auch in ihrem zeitlichen Kontext sehen: Am 4. Dezember jährt sich der Tag der Zerstörung Heilbronns zum 75. Mal. Auch das rechtfertigt die gewaltige Anstrengung, die hinter dem von Kirchenmusikdirektor Stefan Skobowsky geleiteten Werk steht, bei dem man sich auch darüber einig sein kann: Es ist gewaltig und damit auch eine solche Herausforderung – umso mehr, als die Akustik der Kilianskirche nicht ohne Tücken ist. Minutenlanger Beifall belohnte alle Mühen.
Zum Leit- und auch Leidmotiv seines Requiems wählte Verdi „dies irae, dies illa“, also den „Zorn Gottes“. Wenn sich hier immer wieder orchestrale und chorische Klangberge auftürmen und bis in die schrillsten Höhen gehen, wenn die Pauken als Continuo den Weltuntergang beschwören und die Trompeten von der Orgelempore wie jene im biblischen Jericho „den Schall verbreiten durch die Gräber aller Gegenden“, dann ist die drängende Assoziation zu den historischen Ereignissen in Heilbronn nicht zu umgehen. Sie öffnen emotionale Ebenen, die das Publikum in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche am Ende erst einmal lange und betroffen schweigenlässt.
Denn war es nicht „Gottes Zorn“, der am 4. Dezember über die Stadt hereinbrach, in der sich so viele schuldig gemacht hatten? Nicht mit dem „Dona nobis pacem“, also der Bitte um Frieden, lässt Verdi sein Requiem enden, sondern mit der um ewige Ruhe und dem so berührend vom Sopran und Chor gesungenen „Libera me“. Diese Bitte um Befreiung klingt noch lange nach, besonders vor der Aufführungsgeschichte dieses Werks gerade in der Kilianskirche: Es erklang hier noch am Karfreitag 1944.
Dass es sich bei den drei Chören um „Laien“ handelt, wenn auch sehr erprobte, ließen sie vollständig vergessen mit präzisen Piano-Einsätzen, klaren Höhen, modulationsfähig und im „Dialog“ mit den Sängern auf Augenhöhe, „Tonhöhe“ möchte man da lieber sagen.
Wie Marie-Pierre Roy die Sopran-Partien bewältigte, nachdem sie zwei Tage zuvor noch in Salzburg einspringen musste, war bewundernswert; ihre Stimme wird man noch lange im Ohr und im Gedächtnis behalten. Das gilt auch für Mezzosopranistin Anna Haase von Brincken – wenn auch gelegentlich schwankend, dann aber wieder von Verdischer Theatralik getragen. Da war Tenor Joshua Whitener dann fast zu lyrisch-schlank, auch angesichts des volltönenden Basses von Andreas Hörl – das soll angesichts des Gesamteindrucks nur als „Randkritik“ verstanden sein.
Info: Das nächste musikalische Großereignis in der Kilianskirche steht am 4. Dezember an: das eigentliche Gedenkkonzert, das traditionell vom Philharmonischen Chor bestritten wird; in diesem Jahr mit der Uraufführung der sinfonischen Dichtung „Heilbronner Inferno“ des inzwischen 94-jährigen Heilbronners Hans-Günther Bunz, der hier seine Eltern am 4. Dezember verloren hat. Danach erklingt die „Missa Solemnis“ von Beethoven.