Razzien in zehn Bundesländern: Innenministerin verbietet Neonazi-Netzwerk: Wer sind die Hammerskins?
Sie stehen für die Herrschaft der weißen Rasse, waren weltweit an zahlreichen Terroranschlägen beteiligt und sind gut vernetzt: Das Innenministerium hat die Gruppe Hammerskins in Deutschland verboten. Was steckt hinter dem Neonazi-Netzwerk?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat das Neonazi-Netzwerk Hammerskins Deutschland verboten. Am frühen Dienstagmorgen durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei bei Razzien Wohnungen von mutmaßlichen Mitglieder der Vereinigung in zehn Bundesländern. Der Verein agiere gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung, hieß es zur Begründung des Verbots.
Ein Ausdruck, der schon fast untertrieben wirkt. Die Hammerskins sind seit Jahren eines der einflussreichsten neonazistischen Netzwerke, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Ihre Mitglieder rufen offen zum Angriff auf die Demokratie auf, ihre rassistische und antisemitische Ideologie mündet nicht selten in Terrorismus. Unter anderem standen die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Verbindung mit den Hammerskins. Der Attentäter des "Wisconsin Sikh Shootings" in den USA, war ebenfalls bekennendes Mitglied des Netzwerks. 2012 erschoss er sechs Menschen nahe der Stadt Milwaukee aus rassistischen und anti-muslimischen Motiven.
Konspirativ, gewaltbereit, gut vernetzt: Das sind die Hammerskins
Gegründet wurde das Netzwerk 1986 in den USA. Es versteht sich als Elite – nach außen als herrschende "weiße Rasse", nach innen als Spitze der Naziskinhead-Bewegung. "Die Hammerskins sind eine international agierende Bruderschaft, die der nationalsozialistischen Ideologie anhängen und zutiefst rassistisch und antisemitisch sind", erklärt die Thüringer Landtagsabgeordnete der Linken, Katharina König-Preuss, im Gespräch mit dem stern. König-Preuss war eine der Hauptaufklärerinnen im NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen. STERN PAID 22_23 Reportage Nazi Aussteiger 15.06
Von Beginn an waren Verschwiegenheit, Disziplin und Treue wichtige Eckpunkte für den Aufbau des weltweiten neonazistischen Netzwerks. Dabei gilt ein strenges Regelwerk, in einigen Punkten vergleichbar mit hierarchisch organisierten Motorradclubs. Ihr Erkennungszeichen sind zwei gekreuzte Zimmermannshämmer vor einem Zahnrad. Ein Symbol für die Verbindung des germanischen Gottes Thor, der in neonazistischen Kreisen für die "Reinheit der Rasse" steht und der Arbeiterklasse.
Das Motto "Hammerskins forever, forever Hammerskins" (HFFH) ist deckungsgleich etwa mit dem der Hell's Angels "Angels forever, forever Angels" (AFFA).
Aber nicht nur das Motto, auch die Strukturen sind vergleichbar: Ähnlich wie die großen "Outlaw Motorcycle Clubs" gründeten die Hammerskins rund um den Globus sogenannte "Chapter", Ortsgruppen des Netzwerkes. Zudem müssen potentielle Mitglieder wie bei Motorradclubs ein langwieriges Auswahlverfahren bestehen, bis sie tatsächlich in die Organisationsstrukturen aufgenommen werden. Unerwünschte Personen, die dem Zweck des Netzwerkes nicht dienen, zum Beispiel Alkoholiker oder "Verrückte" werden im Vorhinein ausgeschlossen.
Eine Deutschland-Division der Hammerskins existiert laut Bundeszentrale für politische Bildung seit 1991, mit zuletzt mindestens 13 Chaptern – verteilt von Bremen bis Baden-Württemberg und von Westfalen bis Sachsen. Doch in Verfassungsschutzberichten tauchten sie selten auf. Auch 2022 wurde die Gruppe im Bundesbericht nicht erwähnt. "Die Hammerskins wurden in den vergangenen 30 Jahren ignoriert, ja fast schon verharmlost", so König-Preuss.
Das Argument des Verfassungsschutzes, die Gruppe sei verhältnismäßig klein, lässt die Abgeordnete dabei nicht gelten. Zwar zählen laut Schätzungen nur etwa 130 bis 200 Personen zum Netzwerk der Hammerskins in Deutschland, doch ihre Militanz und Verschwiegenheit sind dafür deutlich stärker ausgeprägt als bei größeren Gruppierungen. "Die Gefahr ist keine Frage der Größe einer Struktur, sondern der ideologischen Radikalisierung. Und radikaler als die Hammerskins geht es eigentlich gar nicht", erklärt König-Preuss. Interview Katharina König-Preuss 16.43
Das Netzwerk tritt zwar selten öffentlich in Erscheinung, der Einfluss auf die Neonazi-Szene ist aber enorm.
Rechtsrock, Merchandise, Kampfsportevents: Die Hammerskins sind ein Business geworden
Besonders auffällig ist, dass die Hammerskins es wie kaum eine andere Gruppe geschafft haben, mit ihrer Ideologie Geld zu verdienen. Sie sind eng mit der Rechtsrock-Szene in Deutschland verbunden, Mitglieder wirken beispielsweise als Musikproduzenten oder Organisatoren von konspirativen Neonazi-Konzerten. Noch immer wird in diesem Bereich das meiste Geld in der Szene verdient. Mit den Einnahmen finanziert sich das Netzwerk selbst, aber auch die ganze Szene.
Zudem haben die Hammerskins in den vergangenen Jahren eine neue Einnahmequelle gefunden: Kampfsportevents. Führende Mitglieder der Vereinigung waren an der Ausrichtung der Reihe "Kampf der Nibelungen" beteiligt, bei denen Rechtsextreme in Disziplinen wie Boxen, Kickboxen und dem immer beliebter werdenden Mixed Martial Arts (MMA) gegeneinander antraten. Wie der "MDR" berichtet, waren bewusste Bekenntnisse zum Grundgesetz ausdrücklich nicht nötig, um teilzunehmen. STERN PAID31 Axel Reitz-Hitler Köln 08.52
Dass die Gruppe ausgerechnet diese Art von Veranstaltungen ausrichtet, ist kein Zufall. Kampfsport spielt in der Ideologie der Hammerskins eine tragende Rolle. Das Training soll die Mitglieder auf den "Straßenkampf" vorbereiten. Beschworen wird in diesem Zusammenhang immer wieder der "Tag X", also der Tag, an dem das demokratische System gestürzt werden soll.
König-Preuss: "Das Verbot ist richtig, aber..."
Für König-Preuss ist das Verbot ein wichtiges Zeichen, sie betont aber, dass dies erst der Anfang sein könne. "Es ist sinnvoll, die Hammerskins zu verbieten, insbesondere, damit sie nicht mehr öffentlich mit ihren Symbolen und Codes auftreten können. Aber: Es bleibt abzuwarten, ob das Innenministerium das Verbot wirklich ernst meint." Entscheidend sei, ob dem Verbot auch Taten folgen, so König-Preuss. Also etwa, ob das Vermögen der Gruppe beschlagnahmt wird oder Kampfsportveranstaltungen mit Hammerskin-Organisation untersagt werden.
Quellen: MDR Investigativ, Exif Recherche Platform, Bundeszentrale für politische Bildung