Champions League: Krise von Union Berlin verschärft sich – FC Bayern siegt im Hexenkessel von Istanbul
Über 60 Minuten steht Union Berlins Defensive in der Champions League gegen Neapel sicher. Ein Patzer kostet aber den ersten Punkt in der Königsklasse. Die Krise wird schlimmer. Bayern München konnte dagegen einen weiteren Sieg feiern.
Der 1. FC Union Berlin hat auch gegen den SSC Neapel den ersten Champions-League-Sieg der Vereinsgeschichte verpasst und die sportliche Krise in Köpenick um eine weitere Niederlage verlängert. Die Hauptstädter verloren am Dienstag im rot erleuchteten Olympiastadion gegen den italienischen Meister 0:1 (0:0) und kassierten die bereits neunte Pleite nacheinander. Die Eisernen sind weiter Tabellenletzter der Gruppe C und haben nur noch geringe Chancen, im Europapokal zu überwintern.
Giacomo Raspadori (65. Minute) schoss die größtenteils harmlosen Italiener vor rund 72.000 Zuschauern zum Sieg – und auf Platz zwei hinter Real Madrid. Union war über weite Strecken das bessere Team, nutzte aber wie schon zuletzt in der Bundesliga seine Chancen nicht.
Union Berlin erzielte Abseitstor
Im dritten Champions-League-Spiel konnte Trainer Urs Fischer auf den am Montag noch angeschlagenen Nationalspieler Robin Gosens zurückgreifen. Italien-Kenner Leonardo Bonucci nahm hingegen auf der Bank Platz - und war darüber alles andere als glücklich, wie Experte Fabrizio Romano noch während der Partie erfahren haben will. Demnach möchte Bonucci, der schon zuletzt in der Bundesliga den Startplatz für Abwehr-Chef Robin Knoche räumen musste, am Mittwoch mit Fischer über seine Situation sprechen.
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Die Partie begann schleppend. Der Spielfluss fehlte, Fehlpässe und kleine Fouls prägten die Anfangsminuten, in denen sich beide Mannschaften im Mittelfeld abtasteten. Union konnte sich nach Ballgewinnen nur selten in die Nähe des gegnerischen Strafraums kombinieren und versuchte es mit langen Flanken vom Flügel. Da der kopfballstarke Kevin Behrens aber lange auf der Bank saß, fanden die Hereingaben keinen Abnehmer. Hinten standen die Berliner sicher und ließen mit dem genesenen Knoche in der ersten Hälfte nichts zu.
Janik Haberer versetzte die roten Union-Anhänger in der 24. Minute wie aus dem Nichts in Ekstase, doch Schiedsrichter Irfan Peljto nahm den Treffer des 29-Jährigen sofort zurück. David Fofana hatte beim Pass von Christopher Trimmel im Abseits gestanden. Der nicht gegebene Treffer spornte Union an. Angeheizt von den eigenen Anhängern starteten die Gastgeber eine kurze, aber erfolglose Drangphase. Die Abschlüsse von Brenden Aaronson (30./38.) und Fofana (37.) waren zu ungenau.
Unmittelbar nach der Pause wurde es erstmals im Strafraum von Union gefährlich. Neapels Dribbelkünstler Chwitscha Kwarazchelia (50.) tanzte an Trimmel und Diogo Leite vorbei und scheiterte erst am Bein von Knoche.
Das Spiel wurde nun ruppiger und beide Teams gingen deutlich aggressiver in die Zweikämpfe. Union lauerte auf Konter und schaffte es, in der eigenen Hälfte viele Bälle zu erobern. Im Spiel nach vorn fehlte dann aber wie schon in den vergangenen Wochen die Genauigkeit.
Die Gäste nutzten hingegen ihre zweite Chance, um in Führung zu gehen. Nach einem fehlgeschlagenen Klärungsversuch von Leite landete der Ball bei den Italienern, die wie in einem Trainingsspiel durch den Strafraum spazierten. Raspadori musste aus kurzer Distanz nur noch einschieben.
Neapel verwaltete die Führung geschickt und spielte den Ball locker durch die eigenen Reihen. Union rannte vergeblich hinterher. Ein letzter Kopfball von Knoche (80.) landete knapp neben dem Pfosten.
FC Bayern gewinnt in Istanbul
Im Hexenkessel von Istanbul hat ein am Ende eiskalter FC Bayern seine Rekordserien in der Champions League fortgesetzt. 100-Millionen-Einkauf Harry Kane (73. Minute) und Jamal Musiala (79.) ließen die Münchner am Dienstagabend nach vielen Mühen gegen Galatasaray über das 3:1 (1:1) und die ausgebaute Tabellenführung in Europas Fußball-Königsklasse jubeln. Nachdem Kingsley Coman (8.) die ohrenbetäubende Anfeuerung der Fans im Rams Park früh-, aber nur kurzzeitig verstummen ließ, drehte der türkische Meister nicht nur durch den frechen Foulelfmeter von Mauro Icardi (30.) mächtig auf.
Bei der Rückkehr von Noussair Mazraoui in die Bayern-Startelf konnte Trainer Thomas Tuchel froh sein, dass sich die Gastgeber für ihr Chancenplus bei einem emotionalen Auftritt nicht mit dem 2:1 belohnten. Mehrfach zeichnete sich Sven Ulreich in seinem vorerst wohl letzten Spiel im Münchner Tor aus. Für den Samstag ist das Comeback des lange verletzten Kapitäns Manuel Neuer anvisiert. Die Münchner sind seit 37 Gruppenspielen ungeschlagen, die letzten 16 Partien gewannen sie allesamt.
STERN PAID 42_23 Harry Kane 11.35
Vor einer "aggressiven Mannschaft" hatte Tuchel gewarnt – und der Münchner Coach sollte Recht behalten. Angestachelt von den 50.000 heißblütigen Fans agierte Galatasaray mit extrem hohem Pressing und viel Power, wie es die Bayern in dieser Saison so noch nicht erlebt hatten. Immer wieder schaffte Galatasaray, das bereits den englischen Rekordmeister Manchester United im Old Trafford düpiert hatte (3:2), schnelle Ballgewinne und erspielte sich für Bayern-Verhältnisse ungewöhnlich viele Torchancen.
Die Münchner Vierer-Abwehrkette befand sich durch die Angriffsbemühungen von Icardi und Co. unter Dauer-Druck und agierte alles andere als sicher. So ging es auch für den jüngst verletzt fehlenden Rechtsverteidiger Mazraoui bei seiner Rückkehr ins Bayern-Team gleich von 0 auf 100, was ihm mitunter Probleme bereitete. Der Marokkaner hatte zuletzt für Wirbel gesorgt, als er in den sozialen Netzwerken ein Video verbreitet hatte, in dem den Palästinensern im Konflikt mit Israel ein Sieg gewünscht wurde. Nach dessen Rückkehr von der Nationalmannschaft führte der FC Bayern in der vergangenen Woche "ein ausführliches und klärendes Gespräch" mit ihm, was aber die kritischen Stimmen keineswegs verstummen ließ.
Lärmpegel von 132 Dezibel
Für die personell angeschlagenen Münchner – zuletzt fiel auch noch Nationalspieler Leon Goretzka (Mittelhandbruch) aus – hatte das Spiel eigentlich perfekt begonnen. Mit dem ersten Angriff gelang nach Zuspiel von Leroy Sané das Führungstor durch Coman, der allerdings auch von einem Stellungsfehler von Kazimcan Karatas profitierte.
Das Münchner Tor war im Istanbuler Hexenkessel nur kurzzeitig ein Stimmungskiller. Bereits im Gegenzug wurde Ulreich bei einem Schuss von Kerem Aktürkoglu zu einer Parade gezwungen (9.). Der 35-Jährige, der am Samstag gegen Darmstadt voraussichtlich für Neuer wieder Platz machen muss, bekam mehr Arbeit, als ihm lieb war. Zwei Minuten später ließ Ulreich eine Flanke nach vorne abprallen, Aktürkoglu nahm das Geschenk aber nicht an.
Und es ging weiter in nur eine Richtung. Nach einem Schuss von Lucas Torreira knapp über das Tor (24.) war das Glück aufgebraucht. Joshua Kimmich brachte Icardi im Strafraum zu Foul, den fälligen Elfmeter schoss der Argentinier selbst und verwandelte mit einem Panenka-Elfmeter ganz cool. Der Torjäger, der in der Liga in neun Spielen schon zehnmal getroffen hatte, drohte vor dem Spiel wegen einer Knöchelverletzung auszufallen, auf dem Rasen war davon nichts zu sehen. Beim Tor wurde im Stadion laut Sender Prime Video ein Lärmpegel von 132 Dezibel gemessen, was in den gesundheitsgefährdenden Bereich ging.
Icardi nach einem unnötigen Ballverlust von Kimmich (45.+1) und zuvor Aktürkoglu (38.) hatten weitere Top-Chancen. Zur Pause dokumentierten 16:3 Torschüsse und 57 Prozent Ballbesitz die ungewöhnlichen Kräfteverhältnisse zugunsten der Türken.
Das durfte so nicht weitergehen, ging es auch nicht. Die Bayern schafften im zweiten Durchgang mehr Entlastung - und wären beinahe gleich wieder schnell in Führung gegangen. Doch Sané vergab auf Zuspiel von Coman in aussichtsreicher Position (50.).
Die Münchner gewannen mehr an Spielkontrolle und wurden immer gefährlicher. Bei einem Schuss von Sané parierte noch Schlussmann Fernando Muslera (63.), gegen Superstar Kane war er dann machtlos. Der englische Nationalmannschaftskapitän, von dem lange nichts zu sehen war, zeigte schließlich nach Vorlage von Musiala seine Torjägerqualitäten. Vom Powerfußball der Gastgeber war nun nichts mehr zu sehen, stattdessen sorgte Musiala für die Entscheidung.