Britischer Weltklasseläufer: Mo Farah: Er ist Olympiasieger, Weltmeister, ein Sir – und er ist nicht der, der er vorgibt zu sein
Eine britische TV-Dokumentation verspricht schon im Titel "The Real Mo Farah" zu zeigen. Was wohl die wenigsten erwartet haben dürften: Der echte Mo Farah ist ein anderer als man glaubt. Der Olympiasieger lebt unter falschem Namen.
Müssen die Siegerlisten der Olympischen Spiele geändert werden? Als Goldmedaillengewinner in den Langstreckenläufen über 5000 und 10.000 Meter ist dort bei den Spielen von London (2012) und Rio de Janeiro (2016) ein gewisser Mo Farah notiert. Farah ist kein Unbekannter, im Gegenteil. Der Brite ist einer der Weltstars der Leichtathletik. Der vierfache Olympiasieger ist auch sechsfacher Weltmeister, sechsfacher Europameister und zweifacher Halleneuropameister – stets über die langen Strecken, einmal auch im Crosslauf. Mo Farah ist einer der erfolgreichsten Leichtathleten überhaupt, wurde 2017 von der Queen als Knight Bachelor in den Adelsstand erhoben. Doch eines ist Sir Mohammed Farah nicht: Er ist nicht Mo Farah.
"Die Wahrheit ist, dass ich nicht der bin, für den Sie mich halten", gibt der 39-Jährige in einer BBC-Dokumentation mit dem Titel "The Real Mo Farah" ("Der wahre Mo Farah") zu, die an diesem Mittwoch im britischen Fernsehen ausgestrahlt werden wird. Erstmals offenbart der britische Superstar darin, dass er unter falschem Namen in Großbritannien lebt, geht aus vorab veröffentlichten Ausschnitten hervor. Geboren wurde er demnach 1983 als Hussein Abdi Kahin in Somalia, genauer: in einer Region namens Somaliland. Diese hat sich für unabhängig erklärt, wird aber bisher außer von Taiwan von keinem anderen Staat anerkannt. Die Region umfasst das bis 1960 bestehende ehemalige Kolonialgebiet British-Somaliland.Somalia Hunger Dürre Juni 2022 13.25
Mo Farah: Als Neunjähriger nach Großbritannien geschleust
Anders als früher von ihm dargestellt, hätten seine Eltern nie in Großbritannien gelebt, berichtet Farah weiter. Stattdessen sei sein Vater im Bürgerkrieg ums Leben gekommen. Er selbst sei von seiner Mutter getrennt worden. Als Neunjähriger sei er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Hassan nach einem Aufenthalt bei einem Onkel im Nachbarland Djibouti ins Vereinigte Königreich eingeschleust worden. "Ich wurde illegal unter dem Namen eines anderen Kindes als Mohamed Farah nach Großbritannien gebracht", so der Spitzensportler. Dass ihm ein neuer Name gegeben wurde, habe er nie hinterfragt. "Als Kind hinterfragst du nicht, was dir gesagt wird", so Farah in der Doku. Über das Schicksal des echten Mohamed Farah wisse er nichts, sagt der Sportler. Er hoffe, es gehe ihm gut, fügte er hinzu.
Dass er sich nun an die Öffentlichkeit wende, sei ihm von seinen eigenen Kindern nahegelegt worden, berichtet Farah über seine Motive, sich nun zu erklären. "Familie bedeutet mir alles, und als Eltern bringt man seinen Kindern bei, ehrlich zu sein. Aber ich fühlte stets, dass ich immer dieses Geheimnis hatte, nie ich selbst sein konnte und nie erzählen konnte, was wirklich geschehen war." Ihm sei es nun wichtig, die Wahrheit zu berichten, so Farah weiter.
Ehefrau hatte vor der Hochzeit viele Fragen
Zu dieser Wahrheit gehört dem Langstreckenläufer zufolge der Schock nach seiner Ankunft in Großbritannien. Damals sei er urplötzlich mit "einer anderen Realität" konfrontiert worden. "Ich hatte alle Kontaktdaten meiner Verwandten, doch als wir zu ihrem Haus kamen, nahm die Dame dort mir den Zettel ab und zerriss ihn direkt vor mir und warf ihn in den Mülleimer. In diesem Moment wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten war."Nicht immer nur Spocht: Diese Bilder bleiben von Olympia in Erinnerung 1215
Schwierigkeiten, die längst der Vergangenheit angehören. Aber eine Vergangenheit, die Farah stets verheimlichen musste, was mehr und mehr zu Problemen führte. Seine Frau Tania berichtet in der Doku, dass sie vor ihrer Hochzeit im Jahr 2010 merkte, dass "in seiner Geschichte viele Teile fehlten". Sie habe nicht aufgehört, ihrem künftigen Mann Fragen zu stellen – bis er schleißlich mit der Wahrheit herausrückte.
Innenministerium: Farah hat keine Konsequenzen zu fürchten
Und nun? Illegale Einreise, ein Leben unter falschem Namen, eine Einbürgerung unter falschen Angaben – wird das Konsequenzen für Mo Farah haben? In der BBC-Dokumentation warnt ein Anwalt den Sportler, er könne womöglich durch die Offenbarung nun seine britische Staatsbürgerschaft verlieren. Auch Farah selbst macht sich Sorgen um seinen Einwanderungsstatus. Doch die Sorgen sind offenbar unnötig. Laut dem britischen "Guardian" bestätigte das Innenministerium in London, dass der Sportstar nichts zu befürchten habe. "Es werden keinerlei Maßnahmen gegen Sir Mo ergriffen", zitiert das Blatt einen Ministeriumssprecher. Anderslautende Spekulationen seien falsch.
Ein Happy-end für Hussein Abdi Kahin, der weiter den Namen Mo Farah tragen wird. Welches Schicksal der echte Mohammed Farah erlebt oder erlitten hat, den der Sportstar am Ende der Doku direkt anspricht, bleibt dagegen unbekannt. Mos Worte an Mo gehen – voraussichtlich – ins Leere.
Quellen:BBC, "Guardian", Nachrichtenagentur DPA.