Presseschau: Kein Investoren-Einstieg bei der DFL: "Die Ultras haben gewonnen!"
Seit Wochen gibt es Fan-Proteste gegen den Einstieg eines Investors im deutschen Profi-Fußball – sie dürften nun enden. Denn die DFL hat die Verhandlungen gestoppt. So kommentiert die Presse.
Mit der abrupten Absage des Milliardengeschäfts mit einem Investor hat sich die Deutsche Fußball Liga in der Machtprobe den Fans gebeugt. Die DFL beendete am Mittwoch die Verhandlungen über den Einstieg eines strategischen Partners, um den Frieden in den Stadien wieder herzustellen. Das Präsidium der Dachorganisation der 36 Profivereine beschloss in Frankfurt am Main einstimmig, die Gespräche mit dem Finanzinvestor CVC nicht mehr fortzuführen – und muss nach dem Platzen des erhofften Deals nun andere Geldquellen erschließen, um ihre Modernisierungspläne umzusetzen.
"Jetzt habe ich das Gefühl einfach gehabt, dass jetzt keine Mehrheit mehr da ist. Und dann braucht man auch keine Abstimmung mehr machen, wenn man das Gefühl hat. Dieser Prozess ist jetzt jedenfalls erledigt", sagte der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke der ARD und dem TV-Sender Sky.DFL Investoreneinstieg18.41
Der Sprecher des Fan-Dachverbandes «Unsere Kurve» wertet den gestoppten Investoren-Einstieg als einen Sieg der Fans. "Aus Sicht der aktiven Fußballfans und aller Mitglieder der Vereine in Deutschland ist das natürlich ein großer Erfolg", sagte Thomas Kessen der Deutschen Presse-Agentur. "Heute ist ein guter Tag für Deutschlands Fußballfans."
Geplatzter Investoren-Deal mit der DFL: "Für alle, die den Fußball lieben, eine gute Nachricht"
So kommentieren die deutschen Zeitungen die Absage:
"Spiegel": Dass die organisierten Fans dies jetzt als ihren großen Triumph feiern, kann man nachvollziehen. Sie haben in den Vorwochen eine Form des Protestes gefunden, gegen die die DFL absolut hilflos war. Sie konnte weder die Gewaltkarte ziehen, noch sich darauf berufen, dass dies nur eine kleine radikale Minderheit ist, die ihren Unmut nach außen trägt. Stattdessen konnten die Proteste auf relativ breite Unterstützung setzen. Anders als zum Beispiel bei der Pyrotechnik-Debatte haben viele auch Nicht-Ultras verstanden, was der Hintergrund all dessen ist: das große Unbehagen darüber, wie sich der Fußball entwickelt.
"Bild": Für die Ultras, die wochenlang gegen einen Investoren-Einstieg (eine Milliarde für acht Prozent der TV-Erlöse über 20 Jahre) protestiert hatten, ein großer Sieg. Die Liga knickt vor Tennisbällen und Transparenten ein. Die DFL und die Vereine der ersten und zweiten Liga stehen vor einer Zerreißprobe! Im äußersten Fall könnten sich die Ligen trennen (was rechtlich möglich wäre)."
"Süddeutsche Zeitung": Wenn Kommentatoren das Scheitern des Verfahrens jetzt mit einem "Einknicken" vor den rebellischen Fans erklären, liegen sie im Prinzip nicht falsch. Zugleich hat der auf einmal doch sehr rasche Rückzug mit der nötigen Schadensbegrenzung zu tun. Ein Festhalten an den Gesprächen mit CVC hätte Schaden angerichtet: Für die Geschäftsfähigkeit und das Ansehen der DFL sowie der Klubs, für den Verhandlungspartner.
"Badische Zeitung": "Der Protest mit Tennisbällen, Schokotalern, ferngesteuerten Spielzeugautos und Miniaturfliegern hat Wirkung gezeigt. Auf den ersten Blick ist den Machern der Deutschen Fußball-Liga die Lust vergangen, mit einem Investor zu verhandeln und damit womöglich die Kommerzialisierung auf die Spitze zu treiben. Auf den zweiten Blick hat der Rückzieher aber nicht mit geänderten Ansichten der DFL-Spitze zu tun, sondern mit der Sorge, Spieltag für Spieltag den mehr oder weniger kreativen Protesten eines Teils der organisierten Fans ausgesetzt und bis zum Saisonende buchstäblich deren Spielball zu sein. (…) Die organisierte Fan-Szene, die eine Minderheit ist unter allen Fußball-Anhängern, wird das Votum des DFL-Präsidiums nun als ihren Sieg verkaufen. Sie sollte aber nicht die falschen Schlüsse daraus ziehen und sich als Gralshüter des Fußballs aufführen. So wenig dieser Sport allein den Funktionären in Verbänden und Vereinen gehört, so wenig gehört er allein den organisierten Fans."FS Andreas Brehme: Der Schütze von Rom – das war sein Leben12:34
"Volksstimme": "Die Ultras haben gewonnen! Es wird keinen Investor in der Fußball-Bundesliga geben! Nach Wochen von Tennisball-Protesten und Spielunterbrechungen ist die DFL eingeknickt. Ein möglicher Investoreneinstieg, die Kommunikation der DFL und auch der Abstimmungsprozess – das alles kann kritisch hinterfragt werden. Doch mit dem Einknicken der Liga steht fest, wer im deutschen Fußball das Sagen hat: die Ultras.
DFL und Vereine sind spätestens mit dieser Entscheidung entmündigt. Denn auch gegen Pyro oder ähnliche Vergehen sind sie seit Jahren machtlos. Die Ultras – an dieser Stelle bewusst so benannt, da sie nur ein Teil aller Fußballfans sind – wissen nun, dass sie mit Protesten stets ihren Willen bekommen werden.
Wir dürfen uns also darauf einstellen, dass es in Zukunft zu weiteren Protesten kommen wird. Möglicherweise werden die Ultras künftig ein Spiel so lange unterbrechen, bis der Trainer ihres Vereins noch auf dem Rasen entlassen wird oder der Schiedsrichter doch noch auf Elfmeter entscheidet."
"Nürnberger Nachrichten": "Wer sich die Mühe machte und sich tiefgründig mit dem geplanten Deal beschäftigte, der konnte nur mit dem Kopf schütteln. Es war ein hochriskantes Geschäft, das der deutsche Profifußball da eingehen wollte, eines, das den Sport für immer geprägt hätte – womöglich nicht gerade zum Guten. Deshalb ist es für alle, die den Fußball lieben, eine gute Nachricht, dass der Investoreneinstieg vom Tisch ist."
"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Dass die Fanszene nicht locker ließ, als die Entscheidungsträger der DFL versuchten, die Proteste einfach auszusitzen, zeigt, wie sehr ihr dieses Anliegen am Herzen liegt. Dass die Fans erhört wurden, ist ein Sieg für die Vereins- und Fankultur in Deutschland, die den Sport hierzulande ausmacht und ein Alleinstellungsmerkmal im europäischen Fußball darstellt. Es ist zudem ein Sieg der demokratischen Protestkultur. Einher mit dieser Macht geht eine Verantwortung. Die Kurvengänger dürfen nicht den Fehler machen, künftig für jedes Anliegen die großen Protestgeschütze aufzufahren. Daraus darf kein Diktat aus der Kurve werden. Der beste Weg, damit das nicht passiert: mehr Miteinander zwischen der DFL und den Fans."