Blick ins Ausland: Dämmt die Cannabis-Legalisierung wirklich den Schwarzmarkt ein?
In Kanada hat die Legalisierung von Cannabis den illegalen Handel deutlich reduziert. Doch in Deutschland sehen Experten da Probleme.
Der Schwarzmarkt für Cannabis muss weg. Und die bisherigen Methoden funktionieren nicht. Da sind sich sogar die Ampelpolitiker einig. Kein Wunder also, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Legalisierung als das Heilmittel gegen den Schwarzmarkt anpreist. "Im Rahmen dieser Legalisierung drängen wir den Schwarzmarkt zurück", wiederholte der Minister so und anders in einer Bundestagsdebatte im Winter.
Seine Argumentation: Mit weniger Schwarzmarkt gelange auch weniger Gras in die Hände von Kindern und Jugendlichen. Das Gras sei reiner, der Konsum lasse sich besser überwachen, heißt es immer wieder aus den Reihen der Befürworter. Die Legalisierung scheint also ein logischer Schritt, um den unkontrollierten Verkauf einzudämmen. Aber klappt das?
In der Tat ist das aktuelle Gras-Verbot nicht wirksam. Die Deutschen kiffen von Jahr zu Jahr mehr. Während 2011 noch jeder zwanzigste Jugendliche kiffte, war es zuletzt jeder dreizehnte, zeigt eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Bei den unter 25-Jährigen hat sich der Konsum sogar verdoppelt. Die Häufigkeit des Konsums steigt ebenso, das verkaufte Gras wird dazu immer stärker. Und es kommt, wie sollte es anders sein, vom Schwarzmarkt. Die Justiz muss sich also um immer mehr Drogendelikte kümmern. Doch das scheint Dealer und Konsumenten überhaupt nicht abzuschrecken, denn der Markt wächst immer weiter.
Dass sich etwas ändern muss, ist also klar. Doch ist Lauterbachs Konzept da wirklich richtig – verschwindet der Schwarzmarkt wirklich mit der deutschen Form der Legalisierung?
In Kanada schrumpfte der Schwarzmarkt
Laut dem neuen Cannabis-Gesetz dürfen Erwachsene nun beispielsweise 25 Gramm zum Eigenkonsum in der Tasche haben, drei Pflanzen auf dem Balkon anbauen und können zur privaten Zucht unter gesetzlichen Bestimmungen in speziellen Vereinen Cannabis anpflanzen. Dort können sie monatlich 50 Gramm ernten. Das sind keine Mengen, die normale Kiffer verdampfen. Einige Kritiker bemängeln sogar, dass der Schwarzmarkt nach der deutschen Legalisierung wachsen würde, wenn die neuen Züchter ihre Ware illegal weiterverkaufen.
In vielen Ländern wurde Cannabis in den vergangenen Jahren legalisiert. Die bekanntesten Beispiele sind die USA und Kanada. Die Psychologen Wolfgang Fastenmeier und Martin Söllner haben die bestehenden wissenschaftlichen Studien zu den Effekten der Cannabis-Legalisierung ausgewertet.
"Das, was man an Erfahrungen in den USA und Kanada gesammelt hat, lässt sich gut übertragen", sagt Fastenmeier. Auch wenn die Legalisierung in Deutschland anders ausgestaltet sei als in diesen Ländern. In Kanada ist zu beobachten, dass der Schwarzmarkt seit der Legalisierung geschrumpft ist. Die kanadische Statistikbehörde berichtet davon, dass mittlerweile 70 Prozent der Konsumenten ihre Drogen aus legalen Quellen beziehen.
Das Versprechen, dass mit der Legalisierung der Schwarzmarkt komplett verschwinde, sei zwar nicht richtig, fasst Fastenmeier zusammen. Aber der illegale Markt schrumpft wohl maßgeblich, wie in anderen Ländern zu beobachten ist. Der Konsum ist dadurch nicht eingedämmt worden, scheint aber auch nicht schneller zu steigen als vor den Legalisierungen.
Kritiker befürchten Weiterverkauf in Cannabis-Clubs
Auch Preise können den Schwarzmarkt befeuern. Wenn das legale Cannabis zu teuer ist, kaufen die Konsumenten am Schwarzmarkt. Wie günstig und gut legales Gras ist, bestimmt also die Verteilung zwischen illegalem und legalem Markt.
Der Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap sieht hier jedoch ein Problem der deutschen Legalisierung. Denn im Gegensatz zu Ländern wie Kanada, in denen Gras in Coffeeshops verkauft wird, kann man in Deutschland nur zu Hause anbauen oder einem Club beitreten. Beides lohnt sich nur für Großverbraucher.
Kritiker befürchten auch, dass die Mitglieder in Cannabis-Clubs ihre Ernte weiterverkaufen. Das sei auch eine Form des Schwarzmarkts, so Haucap. Doch da dort das regulierte Cannabis weitergegeben werde, sieht er es als vernachlässigbar an. Problematisch findet er eher die starken Restriktionen.
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"Ein Club hat nur 500 Mitglieder. Die dürfen 50 Gramm pro Monat mitnehmen. Da gibt es, ökonomisch gesagt, keine Skalenvorteile", sagt Haucap. Die Produktionspreise sinken also nicht durch Massenproduktion, wie es bei kommerziellem Anbau der Fall sein könnte. Außerdem sei das Angebot viel zu limitiert. "Man darf da nicht weiterverarbeiten. Es gibt keine essbaren Produkte. Das ist für Verbraucher oft uninteressant. Und je unattraktiver die Clubs sind, desto größer wird der Schwarzmarkt bleiben."
Kürzlich, sagt Haucap, sei er in Oregon in den USA gewesen. "Dort gibt Cannabisläden, die sehen aus wie Apple-Stores, andere eher wie 'Dritte-Welt-Läden'. Es gibt Bio-Cannabis." Diese Vielfalt sei das Erfolgsrezept, um den legalen Markt attraktiv zu machen.
"Ich sehe die Legalisierung aber positiv im Vergleich zum vorherigen Status", sagt Haucap. "Der Weed-Mob ist zufrieden. Der ganz große Druck ist aus dem Kessel." Doch eine richtige Legalisierung mit geregeltem Verkauf, die auch den Schwarzmarkt weiter verkleinert hätte, habe die Regierung verpasst.
Die deutsche Legalisierung wird den Schwarzmarkt also sehr wahrscheinlich etwas schrumpfen, ihn aber nicht verschwinden lassen.